1. Struktur und Aufbau von ENP

1.6 Verknüpfungen von ENP mit anderen Instrumenten

ENP wird in einer Datenbank zur Einbindung in Softwareprodukte wie beispielsweise elektronischen Akten verwirklicht. Die Notationen (eindeutige Nummerierung der Items) werden innerhalb einer Gruppe automatisiert im Rahmen des Datenbankmanagements vergeben. Jedes Item im ENP-System hat eine eindeutige Kodierung innerhalb seiner Gruppe, die auch bei weiteren Versionsständen stabil bleibt und gepflegt wird. Eine derartige Notation ermöglicht die Verknüpfung des Pflegeklassifikationssystems ENP zu anderen Instrumenten, Konzepten und Klassifikationssystemen, auch „Mapping“ genannt. Die aktuell bzw. ehemals verknüpften Instrumente sind/waren:

  • ICD-10- (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) und OPS-Codes (Operationen- und Prozedurenschlüssel) zur optimierten Kodierung von pflegerelevanten Nebendiagnosen im Krankenhaus sowie zur Unterstützung der DRG-Kodierung.
  • LEP Nursing 3 (Leistungserfassung in der Pflege), ein Klassifikationssystem zur Dokumentation von (pflegerischen) Leistungen im Gesundheitswesen. Die in der Methode LEP hinterlegten Leistungen und Tätigkeiten sind mit normierten Zeitwerten hinterlegt (vgl. z. B. Baumberger & Raeburn, 2015) und wurden mit den Interventionen des ENP-Kataloges verknüpft. Auf diese Weise wurde neben der Nutzung der ENP-eigenen Zeitwerte (vgl. Kapitel 1.5) z. B. für die Dokumentation des pflegerischen Aufwandes oder der Generierung von aussagekräftigen Kennzahlen auch die Nutzung der LEP-Zeitwerte ermöglicht. Die Pflege des Mappings von ENP zu LEP Nursing wird seit dem Jahr 2014 nicht weiter fortgeführt.
  • PPR („Regelung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Krankenpflege“, kurz Pflegepersonal-Regelung). Die PPR in ihrer ursprünglichen Form als Element des Gesundheitsstrukturgesetzes aus dem Jahr 1992 diente zur täglichen Ermittlung des pflegerischen Aufwandes in der stationären Pflege und somit als leistungsorientierte Berechnungsgrundlage für den Bedarf an pflegepersonellen Ressourcen. Aus verschiedenen Gründen, u. a. der verhältnismäßig abstrakten Pflegekategorien und der in der Folge nur wenig realitätsnahen Pflegeminutenwerten, insbesondere jedoch aufgrund des sich auf Basis der PPR-Daten abzeichnenden enormen Personalbedarfes in deutschen Kliniken (21.000 Vollzeitstellen zwischen 1993 und 1995) wurde die PPR bereits 1996 wieder eingestellt und im darauffolgenden Jahr gänzlich abgeschafft. Wenngleich die PPR in ihrer damaligen Variante folglich keinerlei verpflichtenden Charakter mehr besitzt, wird sie auch heute noch von vielen Kliniken als internes Steuerungsinstrument genutzt (Thomas et al., 2014; Wieteck & Kraus, 2016). Im Zuge der Diskussion um geeignete und dringend notwendige Personalbemessungsinstrumente für die Pflege hat die Pflegepersonalregelung in den Jahren seit 2019 neues Leben erfahren. Kontrovers diskutiert wird etwa als Alternative zu den seither eingeführten Pflegepersonaluntergrenzen ein Modell rund um eine „PPR 2.0“, eine um die Leistungsstufen A4 und S4 weiterentwickelte Form der ursprünglichen PPR (vgl. z. B. Jahn, 2021). Je nach weiterem Verlauf der Diskussionen und tatsächlicher Relevanz der PPR 2.0 wird das Mapping zwischen ENP und der Pflegepersonalregelung (2.0) entsprechend aktualisiert und adaptiert, sodass etwa die Leistungsinhalte der allgemeinen und speziellen Pflege (A- bzw. S-Bereich der PPR) automatisch aus der Regeldokumentation mit ENP generiert werden können.
  • IDEA (Interdisciplinary Databased Electronic Assessment), ein interdisziplinärer und EDV-basierter Anamnesekatalog, mit dessen Hilfe strukturierte Anamneseinformationen erhoben sowie infolge der sich abzeichnende Handlungsbedarf eingeschätzt wird. IDEA basiert auf einer einheitlichen, wissensbasierten und literaturgestützten Sammlung von für die Anamnese relevanten Informationen. Aus pflegerischer Perspektive lassen sich über die Verknüpfungen von IDEA zu ENP in automatisierter Art und Weise potenziell relevante Pflegediagnosen ableiten, indem die Anamneseinformationen im Hintergrund softwareseitig gebündelt werden. So kann sich beispielsweise aus den in IDEA erhobenen Informationen eines Body-Mass-Index >30 (automatisch berechnet aus Körpergröße und Körpergewicht) sowie Angaben zu Ernährungszustand und Ernährungsvorlieben der Pflegediagnosenvorschlag „Der Patient hat ein inadäquates Ernährungsverhalten“ ergeben. Über das in der individuellen Versorgungssituation letztlich gegebene, tatsächliche Zutreffen der vorgeschlagenen ENP-Pflegediagnose(n) entscheidet jedoch immer die Pflegefachperson, die durch das Mapping von IDEA und ENP jedoch Unterstützung im Entscheidungsfindungsprozess erhält.
  • Ein Index-Katalog (Suchbegriffe), in Form eines Suchsystems zur schnellen Auffindbarkeit von ENP-Pflegediagnosen im Rahmen der computerbasierten Nutzung. Mit den Pflegediagnosen verknüpft sind nicht nur direkt enthaltene Begriffe, sondern auch Synonyme, im Bedeutungsumfang entsprechende Termini sowie zentrale Interventionskonzepte im Kontext der jeweiligen Pflegediagnose.
  • Kriterien des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zur Pflegebedürftigkeitseinstufung (Pflegestufenzuordnung u. a. durch Zeitwerte und Abhängigkeitsgrade). Vor dem Hintergrund des im Januar 2017 in Kraft getretenen zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II), in dessen Rahmen die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt wurden (vgl. z. B. Kimmel & Breuninger, 2016), wird das Mapping der MDK-Kriterien mit ENP fortan nicht weiter gepflegt, da durch die Änderungen des PSG II die praktische Relevanz quasi nicht mehr gegeben ist. Die seit Januar 2017 gültigen neuen Pflegegrade sind im Gegensatz zu den Pflegestufen (bzw. den MDK-Kriterien) nicht unmittelbar mit ENP verknüpft, erhalten jedoch über ein Mapping zur Anamnese IDEA (vgl. weiter oben) und dem darin enthaltenen pflegerischen Basis-Assessment (BAss) (vgl. Fachgesellschaft Profession Pflege e. V., 2018) auf indirektem Weg einen Bezug zu ENP.
  • Standardisierte Assessmentinstrumente zu verschiedenen klinischen Versorgungsaspekten wie dem Sturzrisiko, dem Dekubitusrisiko, der Ernährung oder der Atmung, die mittels Einbindung in eine elektronische Akte und ergebnisorientierten Algorithmen je nach vorliegendem Score-Wert Vorschläge für potenziell relevante ENP-Pflegediagnosen generieren. Ergibt beispielsweise die Einschätzung des Dekubitus-Risikos mittels der Braden-Skala einen Punktwert von 14 und somit ein mittleres Dekubitusrisiko, so wird in Folge die ENP-Pflegediagnose „Der Patient/Bewohner/Klient hat ein Dekubitusrisiko“ vorgeschlagen. Auch hier gilt, dass die Entscheidung über das tatsächliche Zutreffen des Pflegediagnosenvorschlags in der individuellen Versorgungssituation bei der Pflegefachperson liegt.
  • Pflegerelevante Komplexcodes des G-DRG-Systems zur automatisierten Unterstützung der Dokumentationsanforderungen sowie Kodegenerierung. Musterbeispiel für ENP-Mappings in diesem Bereich war der bis Ende 2020 relevante Pflegekomplexmaßnahmen-Score (PKMS). Der PKMS verstand sich als ein ursprünglich vom Deutschen Pflegerat ins Leben gerufenes Instrument zur Abbildung pflegerisch hochaufwendiger Patient(inn)enfälle im Krankenhaus und diente für dieses Klientel als Grundlage zur Leistungsabrechnung hochaufwendiger Pflege innerhalb des G-DRG-Systems (Ausnahme: Es waren keine Kalendertage auf der Intensivstation zu kodieren). Erfasst wurden sowohl Leistungen im Bereich der „allgemeinen Pflege“ als auch im Bereich der „speziellen Pflege“. Damit der PKMS für akutstationär versorgte Patient(inn)en angewandt werden konnte, musste einerseits einer der im PKMS-Katalog angeführten Gründe für hochaufwendige Pflege im entsprechenden Leistungsbereich vorliegen und andererseits ein entsprechend aufgeführtes Pflegeinterventionsprofil zutreffen. Trafen ein oder mehrere Leistungsmerkmale zu, so wurden für den jeweiligen Kalendertag Punkte über die Verweildauer hinweg summiert. Die Gesamtpunktzahl führte zu einer OPS-Prozedur „9-20 … Hochaufwendige Pflege“, wenn die im PKMS-Katalog vorgegebene Punktzahl erreicht wurde (Wieteck et al., 2017). Bei entsprechender Umsetzung in Softwareprodukten ermöglichte das Mapping von ENP zum PKMS eine weitgehend automatisierte Kodierung des PKMS aus der Regeldokumentation mit ENP, ohne dass zusätzliche Formulare, Eingabemasken oder Erhebungsaufwände entstanden sind. Nach wie vor relevant und zu ENP vornehmlich auf Interventionsebene verknüpft sind darüber hinaus folgende pflegerelevante Komplexcodes des OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel):
    • 8-559 Fachübergreifende und andere Frührehabilitation,
    • 8-552 Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation
    • 8-550 Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

  • NANDA-I-Pflegediagnosen. Seit ca. 40 Jahren macht es sich NANDA-I zur Aufgabe, sich mit der Formulierung, Entwicklung und Validierung von Pflegediagnosen (mit zugehörigen Kennzeichen und Ursachen) zu beschäftigen, um das klinische, pflegediagnostische Urteil von Pflegefachpersonen in Form einer standardisierten Taxonomie zu repräsentieren. NANDA-I als international anerkannte und weit verbreitete Pflegefachsprache fokussiert sich bisher ausschließlich auf die ersten Schritte des Pflegeprozesses, genauer die Sammlung und Bündelung von Informationen und deren Überführung in ein pflegerisches Urteil hinsichtlich für die pflegerisch zu versorgende Person relevanter Problembereiche – den pflegediagnostischen Prozess. Um den Pflegeprozess in seiner Vollständigkeit mittels standardisierter und klassifizierter sprachlicher Bausteine abbilden und dokumentieren zu können (Festlegen pflegerischer Zielsetzungen basierend auf der Pflegediagnostik, Planung adäquater Pflegemaßnahmen, Durchführung der pflegerischen Versorgung sowie Evaluation des pflegerischen Outcomes), sind folglich weitere Klassifikationssysteme erforderlich, die mit den Inhalten der NANDA-I-Pflegediagnosen gemappt sind und die die weiteren Schritte des Pflegeprozesses bedienen. Hierzu sind verschiedene Ansätze existent. Explizit vor dem Hintergrund der elektronischen Nutzung in Computersystemen sowie mit dem Ziel, die skizzierte Lücke im Pflegeprozess zu füllen, wurden im Rahmen einer Forschungsarbeit zur Validierung von ENP alle ENP-Praxisleitlinien mit den Pflegediagnosen der NANDA-I gemappt. Alle ENP-Praxisleitlinien, die im Rahmen der Mappingarbeiten einer NANDA-I-Pflegediagnose zugeordnet werden konnten, wurden analysiert und die korrespondierenden ENP-Pflegeziele und ENP-Pflegeinterventionen nach der Bereinigung von Dopplungen mit den NANDA-I-Pflegediagnosen in einer neuen Datenbank verknüpft. Die resultierende Datenbank, genannt NANDA-I-PLUS4, bietet den Anwendern somit den vollen Umfang der NANDA-I-Pflegediagnosen, ergänzt um inhaltlich fundiert verknüpfte Pflegeziele und Maßnahmen aus dem ENP-Katalog.

In verschiedenen Studien und Praxistests konnten viele der Verknüpfungen zu den beschriebenen Instrumenten bereits geprüft werden (vgl. z.B. Baltzer, Baumberger, & Wieteck, 2006; Gärtner, 2006, 2008; Schmid, 2007; Schütze, 2006).

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4 Weiterführende Informationen zur Datenbank NANDA-I PLUS sind den Internetseiten der Firma RECOM unter https://www.recom.eu/klassifikationen/nanda-i-plus.html entnehmbar.

ENP Wissenschaftliche Hintergründe

Buch ENP-Praxisleitlinien

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(3. Aufl.)

Planen und Dokumentieren auf Basis von Pflegediagnosen der Klassifikation ENP (inkl. kostenfreiem Download der Lernsoftware)

Buch Praxisleitlinien Altenpflege (5. Aufl.)

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Planen, Formulieren, Dokumentieren mit ENP-Pflegediagnosen

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Abbildung von individuell formulierten Pflegeprozessplanungen mit der standardisierten Pflegefachsprache ENP®

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Analyse von Daten der Pflegeklassifikation ENP® in elektronischen Patientenakten

Buch Validierung von Pflegediagnosen der Pflegeklassifikation ENP®

Pia Wieteck
Validierung von Pflegediagnosen der Pflegeklassifikation ENP

Crossmappings von ENP® mit ICNP® und NANDA