5. Nutzung und Verbreitung von ENP

Entsprechend der Einteilung von Terminologien in Interfaceterminologie, Referenzterminologie und administrative Terminologie kann ENP zu den Interfaceterminologien gezählt werden. Interfaceterminologien sind zur Anwendung im Frontend-Einsatz vorgesehen, sollen also von den Endnutzer(inne)n – den Pflegenden – in der direkten Pflege eingesetzt werden (Bakken et al., 2000), um die Pflegeprozess- und Leistungsdokumentation in standardisierter Form zu realisieren.

Die Nutzung von ENP ist in erster Linie für die elektronische Akte vorgesehen. Für Lehrzwecke, für die Kranken- und Altenpflegeausbildung oder zur Schulung von Mitarbeitern in Pflegeeinrichtungen, in denen eine intensive Auseinandersetzung mit den Pflegeprozessschritten gelehrt und geübt wird, kann ENP eine wertvolle Unterstützung sein, da aufgrund der Verknüpfungen dem Nutzer das aktuelle Pflegefachwissen zur Verfügung gestellt wird. Implementiert in einer Software können Patientendaten schnell und effizient abgerufen werden und diese zusätzlich für Auswertungszwecke zur Verfügung stehen. Die tatsächliche Umsetzung und Visualisierung von ENP kann allerdings von Softwareprodukt zu Softwareprodukt sehr unterschiedlich sein13.

Seit der ersten Jahreshälfte 2020 steht ENP auch in Form einer Webapplikation namens „ENP Online14“ zur Verfügung, die insbesondere für Ausbildungs- und Lehrzwecke sowie für die Praxisanleitung entwickelt wurde. ENP Online vereint berufspädagogische Aspekte & Pflegediagnostik auf anschauliche Art und Weise. Bei dem Angebot handelt es sich um eine browserbasierte Lernplattform, um die Pflegefachsprache ENP und damit einhergehend u. a. die Pflegeplanung und -dokumentation zu erlernen. ENP Online steht in zwei Varianten zur Verfügung. Zum einen in einer kostenfreien Basisversion, welche die Einsicht, das Suchen und Studieren im gesamten ENP-Katalog ohne zeitliche Begrenzung ermöglicht und somit als praktischer ENP-Browser und Nachschlagewerk dient. Die kostenpflichtige Premium-Variante ermöglicht darüber hinaus die Möglichkeit des aktiven Anlegens und Bearbeitens von Pflegeplänen, des Speicherns, des Ex- und Imports der erzeugten ENP-Pflegepläne sowie das Drucken und die Weiterbearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt. Der zentrale Vorteil dieser webbasierten Variante gegenüber lokal zu installierenden Programmen besteht darin, dass es außer einem beliebigen internetfähigen Gerät wie einem Smartphone, einem Tablet oder einem Computer keinerlei Anforderungen an Hard- oder Software gibt und ENP Online auch unabhängig vom verwendeten Betriebssystem genutzt werden kann.

Die Verbreitung von ENP

ENP wird gegenwärtig (Stand Juli 2021) in einer Vielzahl an ambulanten und stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krankenhäuser, Pflegeheime, etc.) in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Italien innerhalb von elektronischen Softwarelösungen zur vollständigen Pflegeprozessdokumentation angewendet. Dabei kommt ENP nicht ausschließlich in der elektronischen Akte GRIPS der Firma RECOM zum Einsatz, sondern wird zunehmend auch im Datenbankformat in vielerlei Softwareprodukten anderer Hersteller umgesetzt. Zudem wird ENP von vielerlei Einrichtungen sowie Aus- und Weiterbildungsstätten neben der elektronischen Form auch im Printformat genutzt, beispielsweise als Formulierungshilfe für die handschriftliche Pflegeplanung oder als Lehrmaterial in der pflegerischen Ausbildung. Dieses breite Spektrum an Nutzungsformen und Verbreitungswegen schließt die Möglichkeit einer exakten Quantifizierung der nationalen und internationalen Nutzung von ENP nahezu aus. Nichtsdestoweniger versucht nachstehende Aufstellung ein möglichst genaues Bild der Nutzung von ENP in den deutschsprachigen Ländern zu vermitteln:

Deutschland

Etwa 35 Krankenhäuser und über 480 Einrichtungen der ambulanten und stationären Altenpflege nutzen ENP in unterschiedlichen Softwareprodukten. Genaue Zahlen lassen sich durch die Einbindung von ENP als Datenbank in Drittsoftware wie erwähnt nicht mit letzter Gewissheit eruieren, verlässlichen Schätzungen zufolge ist jedoch davon auszugehen, dass in der Bundesrepublik mindestens 60.000 Pflegepersonen mit ENP arbeiten.

Bedingt durch die seit dem Jahr 2020 in Kraft getretene neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe, in der u. a. die Pflegediagnostik erstmals als eine zu erwerbende Kernkompetenz der Auszubildenden konkret benannt wird, ist in diesem Bereich jedoch ein spürbar wachsendes Interesse an ENP zu verzeichnen. Schließlich ist ENP in Form einer kostenfrei verfügbaren Lernsoftware (der sog. „ENP-Trainer“15 zur lokalen Installation auf einem Windows-PC) allein seit dem Jahr 2016 an mehr als 4.000 in Aus- und Weiterbildung befindliche Pflegepersonen ausgeliefert worden, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Auch die mit Stand Juli 2021 noch junge und eingangs des Kapitels vorgestellte Webapplikation ENP Online kann seit ihrer im März 2020 erfolgten Freischaltung für die interessierte Öffentlichkeit bereits über 1.500 registrierte Accounts für Nutzer(innen) aus deutschsprachigen Ländern verzeichnen. Zudem haben sich bereits vier Berufsfachschulen für Pflegeberufe auf den Weg gemacht, ENP Online über den gesamten Ausbildungszeitraum hinweg in die Lehre zu integrieren. Nicht zuletzt haben sich bislang zwei weitere Berufsfachschulen sowie zwei Hochschulen für die Implementierung der speziell für Aus- und Weiterbildungszwecke angepassten Education-Variante der digitalen Akte RECOM GRIPS16 entschieden, in welcher ENP den zentralen fachlichen Baustein darstellt.

Österreich

In Österreich nutzen 18 Krankenhäuser, über 100 ambulante Pflegedienste sowie etwa 80 stationäre Altenpflegeeinrichtungen ENP in mittlerweile drei verschiedenen Softwareprodukten. Die ambulanten Pflegedienste in Österreich sind mit den ambulanten Pflegediensten in Deutschland bezogen auf die Größe nicht zu vergleichen. Die mehr als 100 ambulanten Pflegedienste, die mit ENP arbeiten, haben über 8.000 Mitarbeiter der Pflege, die täglich mit ENP die Pflegeprozessdokumentation realisieren.

Luxemburg

Drei Krankenhäuser der Akutversorgung, eine Rehabilitationsklinik, fünf stationäre Einrichtung der Altenpflege sowie die beiden größten Anbieter der ambulanten Pflege, die insgesamt etwa 90 % aller Patienten in Luxemburg versorgen, nutzen ENP in zwei unterschiedlichen Softwareprodukten. Auch in Luxemburg sind die ambulanten Pflegedienste hinsichtlich der Größe anders aufgestellt als in Deutschland. Die beiden ambulanten Pflegedienste beschäftigen über 4.000 Mitarbeiter der Pflege, die mit ENP arbeiten. Hier wurden auch die Abrechnungspositionen mit ENP gemappt, so dass aus der täglichen Regeldokumentation die Leistungsabrechnung unterstützt wird. Abzusehen ist, dass die Verbreitung von ENP in Luxemburg insbesondere in stationären Versorgungsbereichen künftig weiter zunehmen wird, mehrere Einrichtungen setzen sich gegenwärtig intensiv mit dem Pflegeklassifikationssystem auseinander.

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13 Einen beispielhaften Eindruck für die Software-Umsetzung von ENP bietet die Homepage der Firma RECOM unter https://www.recom.eu/software/uebersicht.html

 

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