Foto: Referentin Dr. Qiumei Jiang-Siebert (li. im Bild) während des Web-Seminars in der virtuellen Welt.
Screenshot: Thieme RECOM im Tagungszentrum von TriCAT.
Die Neurungen rund um die Einführung der PPR 2.0 lockte über 100 Teilnehmende aus deutschen Kliniken ins virtuelle Tagungszentrum zum Ganztags-Web-Seminar von Thieme RECOM.
Thema des Tages war zum einen die korrekte Einstufung der PPR 2.0 für Erwachsenen und Kinder in der Theorie und Praxis sowie auch berufspolitische Überlegungen und Diskussionen.
So wurde von den Referent*innen auf die geplante Krankenhausreform eingegangen und aufgezeigt, dass die künftige Finanzierungsüberlegung der Kliniken sowohl über Vorhaltevergütung und Leistungsgruppen dringend auch durch eine pflegerische Perspektive erweitert werden sollte, um eine interdisziplinäre Versorgungsqualität zu sichern. Hierzu zählen beispielsweise auch evidenzbasierte Handlungskonzepte zu den Leistungsgruppen, die durch Anforderungen an das Leistungsgeschehen, den Personalmix und die Personalbesetzung sicherzustellen sind. „Aktuell besteht die Gefahr, dass bisherige Fehler bei der Vergütung und Berücksichtigung pflegerischer Arbeit fortgeschrieben werden“, warnt Dr. Pia Wieteck.
Auch die Ergebnisse des PPR 2.0 Pretests (laut §137 k, SGB V) wurden im Rahmen des Web-Seminars vorgestellt und diskutiert. Der Abschlussbericht des Pretests ist seit Kurzem auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit verfügbar. Auf Basis der Daten der Kliniken, die am Pretest teilgenommen haben, wurde darin der „Erfüllungsgrad“ der durch die PPR 2.0 ermittelten Personalstellen in Bezug auf das tatsächlich vorhandene und anerkannte Pflegepersonal ermittelt.
Abbildung: Errechneter Erfüllungsgrad. Quelle: KMPG-Bericht 2023
Im Speziellen wurde die Bedeutung dieser neuen Kennziffer unter den Teilnehmenden diskutiert, sowie die in dem Bericht formulierten Kritikpunkte an der PPR 2.0. In der Diskussion wurde klar, dass dabei die Kritikpunkte auf sehr unterschiedliche Bereiche abzielen. Zum Beispiel, dass die PPR-Erwachsene und PPR-Kinder Unterschiede in der Anwendung und Methode aufweisen. Auch zahlreiche inhaltliche Aspekte sind im Bericht benannt. So beispielsweise, dass bestimmte Leistungen nicht in der PPR 2.0 abgebildet werden.
In der Diskussion wurde zudem sehr deutlich, dass trotz der bestehenden Mängel, die im Bericht formuliert sind, die PPR 2.0 eingeführt und die Verbesserungen in der Weiterentwicklung der PPR 2.0 umgesetzt werden sollten und auch könnten.
So fassten die Referent*innen zusammen: „Ziel sollte sein, die PPR 2.0 einzuführen und weiterzuentwickeln, denn die PPR 2.0 bietet eine gute Ausgangslage zur Pflegepersonalbemessung. Gerade durch die von den Selbstverwaltungspartnern in der Ausschreibung formulierten Anforderungen an die Weiterentwicklung der PPR 2.0, wie Integration eines Qualifikationsmixes, PPR 2.0 basierend auf einer einheitlichen Standardterminologie der Pflege sowie Harmonisierung zwischen Kinder- und Erwachsenen-PPR, bietet das heutige Instrument Potenzial, das pflegerische Handlungsgeschehen abzubilden und in Pflegebudgetverhandlungen künftig adäquat zu platzieren.“
Highlight in der Veranstaltung war neben der praxisorientierten Vermittlung der Kodieranforderungen der PPR 2.0 durch Dr. Qiumei Jiang-Siebert, Isabella Schmidpeter, Carina Sickau und Dr. Natalie Hubenthal ein Workshop mit den Teilnehmenden. Ebenso spannend gestaltete sich der Workshop moderiert von Fr. Dr. Pia Wieteck, um Ideen für die Weiterentwicklung der PPR 2.0 zu diskutieren.
Im anschließenden Vortrag von Referentin Dr. Pia Wieteck wurde u. a. exemplarisch vorgestellt, wie die PPR 2.0 in eine Standard-Pflege-Terminologie überführt werden könnte. Das Beispiel wurde mit der validierten Pflegeklassifikation ENP (European Nursing care Pathways) durchgeführt. Mehrere PPR-Kodiereinstufungen im PPR-A-Bereich wurden dabei in die Standard-Pflegeterminologie überführt. „Mit der Überführung könnte künftig eine PPR-Einstufung automatisiert aus der digitalen Regeldokumentation ausgeleitet werden. Die im Pretest kritisierten Punkte bezüglich der Güte der PPR, die Interpretationsspielräume und Kodieraufwände, wären somit obsolet“, erklärte Wieteck.
An dieser Stelle wies die Referentin außerdem auf die Möglichkeit hin, die Pflegeklassifikation ENP mit der browserbasierten Lern- und Trainingsplattform ENP Online einsehen zu können. Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens der Überführung in eine international anerkannte und validierte Standard-Pflegeterminologie wie ENP, sei die Option einer Erweiterung der PPR 2.0 um fehlende Inhalte durch einen entsprechenden Abgleich.
Abschließend wurden die im Teilnehmerworkshop entwickelten Verbesserungen der PPR 2.0 bezogen auf die im Pretest formulierten Kritikpunkte dem Plenum vorgestellt und diskutiert. Es wurde sehr schnell deutlich, dass sich die formulierten Kritikpunkte mit den von der Selbstverwaltung formulierten Anforderungen an die Weiterentwicklung gut und zügig beheben lassen und eine echte Chance besteht, dass Pflege ein aussagekräftiges Personalentwicklungsinstrument mit der Möglichkeit der kontinuierlichen Weiterentwicklung erhält.
„Pflege sollte sich für die Einführung der PPR 2.0 und deren Weiterentwicklung einsetzen. Sonst bleibt zu befürchten, dass wir auf Dauer bei der Pflegepersonaluntergrenzenregelung (PpUVG), einer nur rudimentären Kennziffer zur Personalsteuerung, mit all den Fehlanreizen dieser Systematik verweilen und Entwicklungen im Pflegeberuf behindert werden“, merkt Dr. Pia Wieteck zur berufspolitischen Relevanz des Themas an.
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